Zum wiederholten Male ruft Amnesty International zum weltweiten Briefmarathon auf, um auf Menschenrechtsverletzungen in zahlreichen Ländern aufmerksam zu machen und Betroffene zu unterstützen.

Janna Jihad ist 15 Jahre alt. Sie berichtet journalistisch über ihren Alltag. Ein guter Einstieg in den Journalismus, mag man meinen. So oder so ähnlich beginnen viele Lebensläufe von Redakteuren, auch beim Kredo Magazin. Der Unterschied: Janna Jihad lebt im Westjordanland, das von Israel besetzt ist, und sie schreibt über das Leben in einem besetzten Gebiet. Anstelle von Preisen und Ermutigungen erhält die junge Frau aufgrund ihrer Arbeit Todesdrohungen.

Die Geschichte von Janna Jihad ist eine von insgesamt zehn Fällen, mit denen die Krefelder Gruppe von Amnesty International in diesem Jahr erneut zum Briefmarathon aufruft: „Weltweit fordern Millionen von Menschen Regierungen auf, politisch Gefangene freizulassen und Unrecht zu beenden“, verrät Peter-Michael Friedrichs, der seit 48 Jahren ehrenamtlich für Amnesty International tätig ist. Für den pensionierten Lehrer ist es vor allem ein Anliegen, diese Fälle in die Schulen zu tragen und junge Menschen über die Menschenrechtsverletzungen zu informieren: „In vielen Fällen sind die Menschen, die gefangen gehalten oder bedroht werden, genauso alt wie die Schüler. Ich möchte junge Menschen dazu bekommen, sich mit den Schicksalen auseinanderzusetzen und sich menschenrechtlich zu engagieren“, berichtet Friedrichs.

„Wenn man über Menschen redet, dann auch mit Menschen persönlich.“

Dass das Interesse an den teilnehmenden Schulen groß ist, zeigte sich auch im vergangenen Jahr: Über 1.000 Briefe kamen am Gymnasium am Moltkeplatz und an der Gesamtschule Kaiserplatz zusammen. In diesem Jahr ist noch das Ricarda-Huch-Gymnasium dazugekommen: „Aus Informationen wächst der Drang, etwas zu unternehmen“, erklärt Peter-Michael Friedrichs. Schon während seiner Lehrtätigkeit hat der Mathematik- und Informatiklehrer den Tag der Menschenrechte am 10. Dezember zum Anlass genommen, um mit seinen Schülern über dieses wichtige Thema zu sprechen: „Wenn man über Menschen redet, dann auch mit Menschen persönlich“, findet der 70-Jährige. Die persönliche Auseinandersetzung ist es, die den Menschen die Ungerechtigkeiten, die anderen widerfahren, näherbringt.

Amnesty International ruft zum weltweiten Briefmarathon auf, um auf Menschenrechtsverletzungen in zahlreichen Ländern aufmerksam zu machen.
Peter-Michael Friedrichs

Eine davon, die den geneigten Leser eher an einen Thriller denken lässt, denn an die Realität, ist der Fall des 17-Jährigen Mikita Zalatarou. Mikita hält sich am 10. August 2020 in der Umgebung einer friedlichen Demonstration auf, die sich gegen das offizielle Ergebnis der Präsidentschaftswahl in Belarus richtet. Als die Polizei kommt, rennen die Menschen weg. Auch der damals 16-Jährige Mikita, dem vorgeworfen wird, dabei einen Molotowcocktail geworfen zu haben. Er wird daraufhin von der Polizei abgeführt und mit einer Elektroschockwaffe misshandelt – obwohl er an Epilepsie leidet. Er wird zu fünf Jahren Gefängnisstrafe verurteilt, sitzt ein Jahr davon in einem Erwachsenengefängnis, teilweise sogar in Isolationshaft.

Nicht immer gelingt es, das Unrecht der Menschen aufgrund des Briefmarathons zu beenden, aber oftmals ist es auch die Solidarität völlig fremder Menschen, die den Betroffenen Stärke gibt: „Schon oft haben wir Rückmeldungen von betroffenen Menschen bekommen, die sehr gerührt waren von der Unterstützung, die sie bekommen haben. Es ist wichtig, zu zeigen, dass sie nicht allein sind“, so das Krefelder Mitglied der Amnesty International Gruppe.

Erfolge aufgrund des letzten Briefmarathons

Dass der Briefmarathon wirkt, zeigen verschiedene positive Beispiele aus dem vergangenen Jahr. So wurden zum Beispiel die Menschenrechtsverteidigerinnen Nassima al-Sadah und Samar Badawi freigelassen. Nassima und Samar haben beide für Frauenrechte in Saudi-Arabien gekämpft – und dafür mit ihrer Freiheit bezahlt. Aufgrund des Drucks durch den Briefmarathon wurden beide Frauen jedoch freigelassen. Ebenso erging es dem algerischen Journalisten Khaled Drareni, der seit Februar wieder in Freiheit lebt: „All diese Fälle zeigen uns, dass Briefeschreiben Leben retten kann, und dafür kämpfen wir weiter“, so Friedrichs abschließend. Er ermutigt, sich auch außerhalb der Schule mit diesen Fällen auseinanderzusetzen. Ab sofort sind Informationen zum Briefmarathon auch online unter www.amnesty.de abrufbar. Hier können die verschiedenen Fälle eingesehen und Petitionen unterschrieben werden. Mit jedem einzelnen Brief, jeder einzelnen Unterschrift, wächst die Chance, dass auch Janna Jihad ihre journalistische Arbeit nicht mehr verstecken muss und Mikita Zalatarou aus dem Gefängnis entlassen wird.

Amnesty International Krefeld, www.amnesty-krefeld.de

Über den/die Autor/in: Sarah Weber

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Tags: , , , , 0 Kommentare on „Briefeschreiben kann Leben retten“Veröffentlicht am: 7. November 2021Zuletzt bearbeitet: 16. Februar 2023671 WörterGesamte Aufrufe: 306Tägliche Aufrufe: 13,4 Minuten Lesezeit

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